Warum und was?#

In diesem Kapitel möchte ich schildern, warum ich mich dazu entschieden habe, interaktive Vorlesungsskripte zu erstellen, und welche Ziele ich damit verfolge.

Trennung in 90 min Theorie und 90 min Übung ist lernhinderlich#

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Fig. 1 Theorie und Praxis müssen stark verzahnt werden#

Informatik bzw. die Einführung in das maschinelle Lernen fällt Studierenden der Ingenieurwissenschaften meist schwer. Eine konventionelle Trennung in 90 min Vorlesung, in der Studierende passiv vorgeführt bekommen, wie ein Programmierkonstrukt funktioniert oder Daten mit maschinellem Lernen analysiert werden, und 90 min Übung, in der dann aktiv Programmieraufgaben gelöst werden sollen, ist lernhinderlich.

Important

Programmieren lernt man durch Programmieren und Analysieren von Daten lernt man durch Analysieren von Daten!

Ziel meiner Lehrveranstaltungen Informatik ist daher, bereits in den Vorlesungen sehr stark die Studierenden zum Programmieren zu animieren und kleinere Programmieraufgaben direkt in den Vorlesungen zu lösen. Programmierkonstrukte oder maschinelle Lernverfahren werden in sehr kleinen Schritten konzeptionell vorgestellt und dann direkt durch sogenannte Mini-Übungen eingeübt.

Bring your own Device#

In den 1990ern war an vielen Schulen das sogenannte Sprachlabor ein Vorzeigeprojekt.

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Fig. 2 Sprachlabor#

(Quelle: Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 de)

Schüler:innen konnten sich dort Aufnahmen von Muttersprachlern anhören und Übungen absolvieren, um ihr Hörverständnis der Fremdsprache zu trainieren. Mittlerweile wurde das Sprachlabor durch Internet und Smartphone abgelöst. Es ist kein Problem mehr, sich Bücher, Podcasts oder Videos in allen möglichen Fremdsprachen herunterzuladen oder zu streamen. Mit Hilfe von Apps auf dem Smartphone kann man seine eigene Aussprache verbessern.

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Fig. 3 Smartphone, Tablet und Laptops erobern Schulen#

Einen ähnlichen Übergang beobachte ich bei der Computernutzung in den Ingenieurwissenschaften. In der Mathematik wurde der Taschenrechner bereits durch das Smartphone abgelöst. Software wie GeoGebra unterstützt Lernende dabei, Mathematik besser zu verstehen, und stellt somit eine ideale Ergänzung im Mathematik-Unterricht dar. Im beruflichen Alltag werden wohl eher Apps wie Photomath zum Einsatz kommen, mit denen nur noch die Aufgabenstellung abfotografiert werden muss und die mathematische Problemstellung automatisiert vom Smartphone gelöst und sogar mit einzelnen Berechnungsschritten angezeigt wird.

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Fig. 4 Bring your own device!#

Bring your own Device hat viele Vorteile. Nutzen Studierende ihre eigene Hardware, so sind damit vertraut und können sich auf die neuen Fachinhalte konzentrieren. Auch sind sie damit nicht mehr abhängig von den Öffnungszeiten des Computerraums und können zu jeder Zeit und an jedem Ort üben. Vor allem erhoffe ich mir durch die Nutzung der eigenen Hardware, dass Studierende tatsächlich auch die in Informatik erworbenen Kompetenzen für andere Vorlesungen oder die Bachelor-Arbeit nutzen.

Lernmaterial an einem Ort verbessert die studentische Selbstorganisation#

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Frau Gramsch, Sie haben zwei Bücher empfohlen. Welches von beiden soll ich denn herunterladen?

—Student in der Vorlesung Mathematik 1, WS 21/22

Manchmal bin ich einfach verblüfft und weiß keine Antwort. Meiner persönlichen Meinung nach ist das heutige Angebot der Bibliothek, sehr gute Lehrbücher einfach kostenlos als pdf oder epub herunterzuladen, purer Luxus. Mehrere Informationsquellen zu nutzen hat den Vorteil, verschiedene Erklärstile ausprobieren zu können. Aber nein, zwei Bücher sind schon eines zuviel und überhaupt – warum muss man überhaupt noch lesen?

Mit meinen interaktiven Vorlesungsskripten versuche ich die Selbstorganisation der Studierenden zu vereinfachen. Alles ist an einem (virtuellen) Ort mit einer sehr simplen Regel: pro Woche ein Skript und das Skript enthält alles! Mit alles meine ich Lehrtexte, Erklärungen, Zeichnungen, Beispiele, Screencasts, Videos und vor allem auch die Übungen.

YouTube ist gut, aber nicht immer#

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Fig. 5 2021 haben bereits 18-19 % der Jugendlichen YouTube zum Lernen genutzt#

Quelle: JIM-Studie 2021 (Jugend, Informationen, Medien) – Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger

Gibt es noch Studierende im Maschinenbau, die nicht SimpleClub - Maschinenbau nutzen? So gut die Erklärvideos auch animiert werden, so häufig kommen leider auch Fehler vor. Und Animationen alleine sind noch keine Didaktik. Dennoch gibt es mittlerweile ein sehr reichhaltiges und didaktisch gut konzipiertes Angebot an Erklärfilmen. In der Mathematik sind beispielsweise die E-Vorlesungen

aus meiner Sicht empfehlenswert, für die Programmierung mit Python empfehle ich gerne

Wenn sich Studierende auf YouTube befinden, werden ihnen nach Beenden eines Videos neue Videos angezeigt und teilweise automatisch abgespielt. Studierenden fällt es jedoch schwer, die Qualität der Inhalte einzuschätzen. Dazu kommt noch, dass das Anschauen von Videos dazu verführen kann, vermeintlich alles verstanden zu haben. Erst durch passende Übungen danach wird klar, ob wirklich die Inhalte druchdrungen wurden. Ziel meiner Vorlesungsskripte ist daher auch, Studierende in meinem Lernkontext zu halten und ihnen damit aus meiner Sicht passendere Lernvideos mit passgenauen Übungen zu präsentieren.

Online-Vorlesungen sind ergonomisch und fördern Zusammenarbeit#

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Und warum jetzt Online-Vorlesungen? Die interaktiven Vorlesungsskripte haben zunächst einmal nichts mit dem Lernort zu tun. Tatsächlich hat sich in meinen Informatik-Veranstaltungen jedoch die Online-Vorlesung bewährt. Ab der dritten, vierten Woche werden die Programmier-Übungen umfangreicher und es empfiehlt sich auch aus ergonomischen Gründen die Benutzung eines Laptops oder eines PCs anstatt von Smartphones oder Tablets, die am Anfang noch ausreichen. Nicht alle Studierende haben einen Laptop, einige nutzen auch die Kombination PC/Tablet oder PC/Papier für Vorlesungen. In vielen Hörsälen ist auch die Anzahl der Steckdosen begrenzt und WLAN-Bandbreite kann problematisch werden.

Auch wird die Zusammenarbeit wird durch Online-Vorlesungen. Die Kleingruppen können sich in Breakout-Räume zurückziehen und in Ruhe zusammenarbeiten und trotzdem bin ich für die Teilnehmenden direkt erreichbar.