8.4 Komplexe Zahlen in trigonometrischer Form#
Im letzen Kapitel haben wir die Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen in der Normalform kennengelernt. Gerade bei »Punktrechnungen« ist jedoch die sogenannte trigonometrische Form einfacher. In diesem Kapitel werden daher lernen, eine komplexe Zahl in Normalform in die trigonometrische Form umzurechnen (und umgekehrt). Dabei lernen wir auch verschiedene Konventionen kennen. Zuletzt beschäftigen wir uns mit der Multiplikation und Division in trigonometrischer Form und ihren geometrischen Interpretationen in der Gaußschen Zahlenebene.
Lernziele#
Lernziele
Sie können eine komplexe Zahl in der trigonometrische Form darstellen.
Sie können das Argument einer komplexen Zahl ausrechnen.
Sie können eine komplexe Zahl aus der Normalform in die trigonometrische Form umrechnen.
Sie können eine komplexe Zahl aus der trigonometrischen Form in die Normalform umrechnen.
Sie können komplexe Zahlen in trigonometrischer Form multiplizieren und dividieren.
Trigonometrische Form#
Die Gaußsche Zahlenebene entspricht einem kartesischen Koordinatensystem, bei dem jeder Punkt in der Ebene durch seine beiden Koordinaten \((x,y)\) beschrieben wird. Dabei ist \(x\) der Realteil der komplexen Zahl, also \(x = \text{Re}(z)\), und \(y\) der Imaginärteil, also \(y=\text{Im}(z)\).
Eine Alternative zum kartesischen Koordinatensystem ist das Polarkoordinatensystem. Im Polarkoordinatensystem werden Punkte in einer Ebene durch
Abstand Punkt zum Ursprung und
Winkel im Verhältnis zur klassischen x-Achse
beschrieben. Zum Beispiel bedeutet die Angabe \((2, 30^{\circ})\) im Polarkoordinatensystem, dass dieser Punkt einen Abstand von 2 zum Ursprung hat. Er liegt sozusagen auf einem Kreis um den Ursprung mit Radius \(r = 2\). Zeichnet man jetzt die Verbindungslinie vom Punkt zum Ursprung ein, bildet sie einen Winkel von \(\varphi = 30^{\circ}\) zur klassischen x-Achse. Diesen Winkel nennt man auch Polarwinkel oder Azimuth.
Komplexe Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene können ebenfalls in Polarkoordinaten dargestellt werden. Zu der komplexen Zahl \(z = \sqrt{3} + \mathrm{i}\) gehören die kartesischen Koordinaten \((\sqrt{3},1)\). In Polarkoordinaten entspricht das gerade dem obigen Beispiel \((2, 30^{\circ})\). Um deutlich zu machen, dass es sich um eine komplexe Zahl handelt, werden allerdings nicht die Polarkoordinaten selbst benutzt, sondern die sogenannte Polarform. Es gibt zwei Varianten der Polarform. Zunächst betrachten wir die trigonometrische Form:
Ein Vorteil dieser Schreibweise ist, dass der Betrag der komplexen Zahl sofort abgelesen werden kann, weil er dem Radius entspricht:
Wir werden noch sehen, dass der Winkel entscheidend für die Multiplikation, Division und vor allem auch für das Potenzieren von komplexen Zahlen ist. Um diese Bedeutung hervorzuheben, wird der Winkel als Argument der komplexen Zahl bezeichnet. Zusammengefasst erhalten wir folgende Definition der trigonometrischen Form einer komplexen Zahl.
Was ist … die trigonometrische Form?
Die trigonometrische Form ist eine alternative Schreibweise einer komplexen Zahl \(z\). In trigonometrischer Form wird eine komplexe Zahl geschrieben als
Dabei ist \(r\) der Betrag der komplexen Zahl (also \(r = |z|\)) und \(\varphi\) ihr Argument.
Umrechnung Normalform und trigonometrische Form#
Die Umrechnung von der trigonometrischen Form in die Normalform ist einfach. Tatsächlich müssen wir ja nur die Kosinus- und Sinuswerte konkret ausrechnen und jeweils mit dem Betrag multiplizieren. Die komplexe Zahl \(z = 2\cos(30^{\circ})+ 2 \sin(\varphi) \mathrm{i}\) hat den Realteil
und den Imaginärteil
Daher ist \(z = 2 \cos(30^{\circ}) + 2\sin(\varphi) \mathrm{i}\) in der Normalform die Zahl
Die umgekehrte Richtung ist etwas schwieriger, lässt sich aber auch mit bekannten Formeln aus der Trigonometrie lösen. Dazu zeichnen wir ein rechtwinkliges Dreieck ein.
Der Betrag der komplexen Zahl \(z = \sqrt{3} + \mathrm{i}\) ergibt sich aus dem Satz des Pythagoras:
Den Winkel bzw. das Argument \(\varphi\) der komplexen Zahl können wir nun über den Kosinus bestimmen. Der Kosinus ist Ankathete geteilt durch Hypotenuse, also
Nun wenden wir auf beiden Seiten dieser Gleichung die Umkehrfunktion Arkuskosinus an:
Für das obige Beispiel hat das gut geklappt. Ein kleines Problem tritt auf, wenn der Imaginärteil der komplexen Zahl negativ ist. Der Wertebereich der Arkuskosinus-Funktion ist nämlich \([0, \pi]\) im Bogenmaß oder \([0, 180^{\circ}]\) im Gradmaß. Somit werden nur positive Imaginärteile abgedeckt. Wenn der Imaginärteil der komplexen Zahl negativ ist und beispielsweise das Argument der komplexen Zahl \(z = \sqrt{3} - \mathrm{i}\) gesucht wird, wird der Winkel im Uhrzeigersinn angegeben werden und ist somit negativ.
Insgesamt lautet die Formeln zur Berechnung des Betrages \(|z|\) für eine beliebige komplexe Zahl \(z = a + b\mathrm{i}\) wie folgt:
Das Argument \(\varphi\) im wird für eine beliebige komplexe Zahl \(z = a + b\mathrm{i}\) folgendermaßen berechnet:
Natürlich hätten wir auch Sinus oder Tangens nutzen können, um das Argument der komplexen Zahl zu berechnen.
Video “Darstellung komplexer Zahlen” von MathePeter
Video “Polarform” von Mathematrick
Multiplikation und Division in trigonometrischer Form#
Als nächstes betrachten wir die Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen in trigonometrischer Form. Hat die erste Zahl \(z_1\) den Betrag \(r\) und das Argument \(\alpha\) und die zweite Zahl \(z_2\) den Betrag \(s\) und das Argument \(\beta\), dann ist das Produkt der beiden komplexen Zahlen
Die beiden Beträge werden multipliziert und die beiden Argumente werden addiert.
Für die Division erhalten wir
Die beiden Beträge werden dividiert und die beiden Argumente subtrahiert.
Zusammenfassung und Ausblick#
In diesem Kapitel haben Sie gelernt, wie eine komplexe Zahl in trigonometrischer Form formuliert wird und wie die Umrechnung in die Normalform funktioniert. Wird die trigonometrische Form verwendet, so sind Multiplikation und Division recht einfach durchzuführen. Auch in der dritten Darstellungsform für komplexe Zahlen, der sogenannten Exponentialform, sind diese beiden Rechenoperationen einfach. Darüber hinaus wird aber auch das Potenzieren und Wurzelziehen erleichtert, so dass wir im nächsten Kapitel die Exponentialform studieren werden.