9.5 Stetigkeit#

Stetigkeit ist ein fundamentales Konzept der Mathematik, das in zahlreichen technischen und ingenieurwissenschaftlichen Anwendungen eine zentrale Rolle spielt. In der Praxis ist Stetigkeit oft eine Voraussetzung, um Systeme zu modellieren, zu simulieren und zu analysieren.

Lernziele#

Lernziele

  • Sie können entscheiden, ob eine Funktion stetig ist oder nicht. Mathematisch präzise wird eine Funktion stetig an der Stelle \(x_0\) genannt, wenn der Grenzwert der Funktion für \(x\) gegen \(x_0\) existiert und gleich dem Funktionswert an der Stelle \(x_0\) ist, falls also gilt

\[\begin{equation*} \lim_{x\rightarrow x_0} f(x) = f(x_0). \end{equation*}\]
  • Die Funktion heißt stetig, wenn das für alle Stellen \(x_0\) ihres Definitionsbereiches gilt.

  • Sie wissen, dass die Summe oder Differenz zweier stetiger Funktionen wieder stetig ist. Das gilt auch für das Produkt oder den Quotienten zweier stetiger Funktionen (sofern nicht durch 0 geteilt wird).

  • Sie wissen, dass die Komposition (Verkettung) zweier stetiger Funktionen wieder stetig ist. Oder anders ausgedrückt, wenn ich eine stetige Funktion in eine andere stetige Funktion einsetze, ist das Ergebnis wieder stetig.

  • Sie kennen den Zwischenwertsatz. Vereinfacht ausgedrückt können stetige Funktionen gezeichnet werden, ohne den Stift abzusetzen.

  • Sie kennen den Satz vom Minimum und Maximum.

Was ist Stetigkeit?#

Im letzten Kapitel haben Sie gelernt, wie Funktionsgrenzwerte bestimmt werden. Stetigkeit kann als eine Erweiterung dieses Konzepts verstanden werden. Eine Funktion ist genau dann stetig, wenn der Grenzwert einer Funktion an einer Stelle mit dem Funktionswert übereinstimmt.

Mathematisch ausgedrückt bedeutet dies:

Wann ist eine Funktion stetig?

Eine reelle Funktion \(f\) ist an einer Stelle \(x_0\) stetig, wenn der Grenzwert \(\lim_{x\to x_0}f(x)\) existiert und dieser Grenzwert mit dem Funktionswert \(f(x_0)\) übereinstimmt, also

\[\lim_{x \to x_0} f(x) = f(x_0)\]

gilt. Ist die Funktion an allen Stellen des Definitionsgebietes stetig, so bezeichnet man sie als stetige Funktion.

Ist die Funktion \(f\) an der Stelle \(x_0\) nicht stetig, dann nennt man sie an dieser Stelle unstetig.

Es gibt auch eine alternative Definition von Stetigkeit, das sogenannte \(\varepsilon\)-\(\delta\)-Kriterium. Demnach ist eine reelle Funktion \(f\) an der Stelle \(x_0\) stetig, wenn zu jedem \(\varepsilon > 0\) ein \(\delta > 0\) existiert, so dass für alle \(x\) der Definitionsmenge mit

\[|x - x_0| < \delta\]

gilt:

\[|f(x) - f(x_0)| < \varepsilon.\]

In dem folgenden Video wird das erste Kriterium für Stetigkeit, das sogenannte Folgenkriterium verwendet.

Video “Definition stetige Funktionen” von Mathematische Methoden

In dem nächsten Video wird ein Beispiel vorgerechnet, wie die Stetigkeit einer Funktion überprüft werden kann.

Video “Stetigkeit überprüfen” von Mathematrick

Weiteres Lernmaterial finden Sie hier:

Beispiele für stetige Funktionen#

Video “Beispiele stetige Funktionen” von Mathematische Methoden
Video “Wichtige stetige Funktionen I” von Mathematische Methoden
Video “Wichtige stetige Funktionen II” von Mathematische Methoden
Video “Wichtige stetige Funktionen III” von Mathematische Methoden

Eigenschaften von stetigen Funktionen#

Funktionen, die auf einem abgeschlossenen Intervall \([a,b]\subset\mathbb{R}\) stetig sind, haben zwei wichtige Eigenschaften.

Der Zwischenwertsatz besagt:

Was sagt der Zwischenwertsatz aus?

Sei \(f\) eine auf einem abgeschlossenen Intervall \([a, b]\) stetige Funktion. Dann nimmt \(f\) jeden beliebigen Wert \(y\) zwischen \(f(a)\) und \(f(b)\) an mindestens einer Stelle \(c\in [a,b]\) an, d.h. \(f(c) = y\).

Anschaulich bedeutet der Zwischenwertsatz, dass eine stetige Funktion alle Werte zwischen \(f(a)\) und \(f(b)\) annimmt, ohne »Sprünge« zu machen. Das hat auch eine wichtige Konsequenz, falls die Vorzeichen von \(f(a)\) und \(f(b)\) unterschiedlich sind.

Betrachten wir beispielsweise die Funktion \(f(x) = x^2 - 2\) auf dem Intervall \([1, 2]\). Wir haben

  • \(f(1) = -1\) und

  • \(f(2) = 2\).

Da \(f\) stetig ist und die Werte -1 und 2 unterschiedliche Vorzeichen haben, garantiert der Zwischenwertsatz, dass eine Nullstelle im Intervall \([1, 2]\) existiert. Diese ist tatsächlich \(x = \sqrt{2}\).

Der Satz vom Minimum und Maximum besagt:

Was sagt der Satz vom Minimum und Maximum?

Eine auf einem abgeschlossenen Intervall \([a, b]\) stetige Funktion besitzt mindestens einen Punkt \(x_{\text{max}} \in [a, b]\), an dem sie ihren Maximalwert annimmt, und mindestens einen Punkt \(x_{\text{min}} \in [a, b]\), an dem sie ihren Minimalwert annimmt.

Dies bedeutet, dass der Graph der Funktion innerhalb eines geschlossenen Intervalls stets einen höchsten und einen niedrigsten Punkt erreicht.

Wir betrachten als Beispiel die Funktion \(f(x) = -x^2 + 4x\), die auf dem Intervall \([0, 4]\) stetig ist. Sie erreicht

  • das Maximum \(4\) bei \(x = 2\), denn \(f(2) = 4\) und

  • das Minimum \(0\) bei \(x = 0\), denn \(f(0) = 0\) und zusätzlich \(x = 4\), denn \(f(4)=0\).

Leider liefert dieser Satz nur die Existenz eines Minimums und eines Maximums. Wie die beiden sogenannten Extremwerte berechnet werden, sagt dieser Satz nicht. Dazu benötigen wir Ableitungen.

Zusammenfassung und Ausblick#

Funktionen, die auf Intervallen stetig sind, haben besondere Eigenschaften beschrieben durch den Zwischenwertsatz und den Satz vom Minimum und Maximum. Diese Eigenschaften sind in der Ingenieurpraxis essentiell, um Nullstellen, Maxima und Minima von Funktionen zu bestimmen und technische Prozesse zu modellieren. Im nächsten Kapitel werden wir uns mit unstetigen Funktionen beschäftigen.