5.2 Fourierreihen#

Periodische Vorgänge gibt es sowohl in der Natur als auch in der Technik. In der Technik gehören insbesondere Drehbewegungen dazu. Für periodische Funktionen sind Potenz- oder Taylorreihen ungeeignet, da sie die Periodizität nicht abbilden. Stattdessen werden wir periodische Funktionen als Überlagerung von Sinus- und Kosinus-Funktionen approximieren, als sogenannte Fourierreihen.

Die Idee der Fourierreihe wird in dem folgenden Video erklärt.

Video “Fourierreihe Übersicht” von Daniel Jung

Lernziele Fourierreihen#

Lernziele

  • Sie können eine periodische Funktion in eine Fourierreihe umschreiben.

  • Sie können dazu die Fourierkoeffizienten berechnen.

  • Sie kennen die Kriterien, wann eine Funktion in eine Fourierreihe entwickelt werden darf.

Trigonometrische Polynome#

Bevor wir uns dem Thema Fourierreihe widmen, klären wir erst einmal den Begriff trigonometrisches Polynom. Wir haben bereits im letzten Kapitel die beiden wichtigsten periodischen Funktionen kennengelernt: Sinus- und Kosinusfunktion. Beide haben die Periode \(2\pi\). Als Erstes wollen wir die Sinus- und Kosinusfunktion so umschreiben, dass sie nicht die feste Periode \(2\pi\) haben, sondern eine beliebige Periode \(T\). Dies erreichen wir, indem wir das Argument der Funktion durch \(\omega\cdot t\) ersetzen, wobei

\[\omega = \frac{2\pi}{T}\]

die sogenannte Kreisfrequenz ist. Damit erhält die Funktion \(\sin(\omega\cdot t)\) die gewünschte Periode \(T\), denn für \(t=T\) ergibt sich \(\omega t = 2\pi\), also ein vollständiger Umlauf. Im Spezialfall \(T = 2\pi\) ist \(\omega = 1\), so dass man zur gewohnten Sinus- und Kosinusfunktion zurückkehrt.

Außerdem können wir die Sinus-/Kosinusfunktionen mit doppelter, dreifacher, vierfacher … Frequenz miteinander kombinieren, z.B. so:

\[f(t) = 3\cdot\cos(\omega t) -17\cdot\sin(\omega t) -2\cdot\cos(2\omega t) + \frac{3}{8}\cdot\sin(2\omega t).\]

Die Funktion \(f\) hat die Periode \(T = 2\pi\) und wird trigonometrisches Polynom genannt.

Was ist … ein trigonometrisches Polynom?

Ein trigonometrisches Polynom ist eine Funktion, die als Linearkombination von Sinus- und Kosinusfunktionen geschrieben werden kann:

\[f(x) = \frac{a_0}{2} + a_1 \cos(\omega t) + b_1 \sin(\omega t) + a_2\cos(2\omega t) + b_2\sin(2\omega t) + \ldots + a_n\cos(n\omega t) + b_n\sin(n\omega t).\]

Hierbei sind \(a_0\), \(a_1\), \(b_1\), \(a_2\), \(b_2\), …, \(a_n\), \(b_n\) Konstanten, die bestimmt werden müssen, um die Funktion f(x) vollständig zu beschreiben.

Und warum nehmen wir \(\frac{a_0}{2}\) und nicht einfach \(a_0\)? Diese Darstellung kommt von den komplexen trigonometrischen Polynomen, die wir in dieser Vorlesung aber nicht behandeln. Dennoch halten wir uns an dieser Stelle an die übliche Schreibweise.

Video “Vorbereitung Fourierreihe Sinus/Kosinus” von Daniel Jung

Wie findet man zu einer Funktion das trigonometrische Polynom?#

Die Koeffizienten \(a_k\) und \(b_k\), also die Vorfaktoren vor den Sinus- und den Kosinusfunktionen im trigonometrischen Polynom heißen Fourierkoeffizienten. Wenn die Funktion \(f\) durch das trigonometrische Polynom angenähert werden soll, dann müssen wir die Fourierkoeffizienten nach der folgenden Formel berechnen.

Wie werden die Fourierkoeffizienten berechnet?

Wir starten mit einer gegebenen Funktion \(f\), die die Periode \(T\) und die Frequenz \(\omega = \frac{2\pi}{T}\) hat. Die Fourierkoeffizienten werden dann berechnet als

\[\begin{align*} a_k &= \frac{2}{T} \int_{-T/2}^{T/2} f(t) \, \cos(k \, \omega \, t) \, dt, \quad k = 0, 1, 2, \ldots \\ b_k &= \frac{2}{T} \int_{-T/2}^{T/2} f(t) \, \sin(k \, \omega \, t) \, dt, \quad k = 1, 2, \ldots \\ \end{align*}\]

Fourierreihe#

Wenn wir den Grad \(n\) des trigonometrischen Polynoms erhöhen, so können wir vermuten, dass die Approximation der Funktion \(f\) immer besser wird. Tatsächlich ist es nicht ganz so einfach. Nur wenn die sogenannten Dirichlet-Bedingungen erfüllt sind, konvergiert das trigonometrische Polynom für \(n \to \infty\) gegen die periodische Funktion \(f\). Die Dirichlet-Bedingungen lauten:

  1. Das Periodenintervall lässt sich in Teilintervalle unterteilen, in denen die Funktion \(f\) stetig und monoton ist. Dabei darf es höchstens endlich viele Teilintervalle geben.

  2. Bei den Unstetigkeitsstellen existiert sowohl der linksseitige als auch der rechtsseitige Grenzwert.

Bei allen praktisch vorkommenden Beispielen im Maschinenbau ist dies aber der Fall. Wenn der Grad \(n\) gegen unendlich geht, sprechen wir von einer Fourierreihe.

Was ist … die Fourierreihe?

Die meisten Funktionen \(f\) mit der Periode \(T\) und der Kreisfrequenz \(\omega\) können als eine unendliche Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen approximiert mit den Fourierkoeffizienten \(a_k\) und \(b_k\) werden:

\[f(t) = \frac{a_0}{2} + \sum_{k=1}^{\infty} \left(a_k \cos(k \omega t) + b_k \sin(k \omega t) \right).\]

Diese Funktionenreihe nennt man Fourierreihe.

Zusammenfassung und Ausblick#

In diesem Kapitel haben wir gelernt, dass periodische Funktionen mithilfe von Fourierreihen dargestellt werden können, also als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen mit unterschiedlicher Frequenz. Dazu berechnen wir sogenannte Fourierkoeffizienten, die bestimmen, wie stark jede Schwingung zur Gesamtfunktion beiträgt. Unter bestimmten Bedingungen (Dirichlet-Kriterien) konvergiert diese Summenformel gegen die ursprüngliche Funktion. Im nächsten Kapitel werden wir bekannte Beispiele zu Fourierreihen durcharbeiten.