10.2 Doppelintegral in Polarkoordinaten#
Im letzten Kapitel haben wir Punkte durch kartesische Koordinaten und durch Polarkoordinaten beschrieben. In diesem Kapitel wird das Flächenintegral in zwei Integrale mit Polarkoordinaten umgeschrieben und dadurch berechnet.
Lernziele#
Lernziele
Sie können ein Doppelintegral in kartesischen Koordinaten in ein Doppelintegral in Polarkoordinaten umrechnen, d.h.
Die Integration erfolgt dabei in zwei Schritten, zuerst kommt die innere Integration über \(r\), danach die äußere Integration über \(\varphi\).
Doppelintegral in Polarkoordinaten#
Doppelintegrale in Polarkoordinaten sind besonders nützlich, wenn das Integrationsgebiet kreisförmig oder rotationssymmetrisch ist. Solche Formen kommen im Maschinenbau häufig vor, beispielsweise bei der Berechnung von Trägheitsmomenten rotierender Scheiben oder Schwerpunkten kreisförmiger Bauteile.
Um ein Doppelintegral in kartesischen Koordinaten zu berechnen, wird versucht, die Ränder des Integrationsgebietes mit dem folgenden Schema zu beschreiben. Für x wird ein Intervall \([a,b]\) genommen und für y wird der obere Rand des Integrationsgebietes durch eine obere Funktion \(f_{\text{oben}}(x)\) und der untere Rand durch eine untere Funktion \(f_{\text{unten}}(x)\) beschrieben.
Soll das Doppelintegral in Polarkoordinaten ausgedrückt werden, wird für den Winkel \(\varphi\) ein Intervall von Winkeln \([\alpha, \beta]\) genommen und für \(r\) wird der äußere Rand des Integrationsgebietes durch die äußere Funktion \(f_{\text{außen}}(\varphi)\) und der innere Rand durch eine innere Funktion \(f_{\text{innen}}(\varphi)\) beschrieben.
Der entscheidende Unterschied liegt im Flächenelement. Bei kartesischen Koordinaten wird das Flächenelement \(dA\) zum Produkt aus den Linienelementen \(dy\) und \(dx\), also \(dA = dy \, dx\).
Bei Polarkoordinaten entsteht durch die Koordinatentransformation ein zusätzlicher Faktor \(r\). Dies lässt sich geometrisch folgendermaßen verstehen.
Fig. 26 Flächenelement in Polarkoordinaten: Das kleine Flächenstück hat die Seitenlängen \(dr\) und \(r \, d\varphi\) (Quelle: Von Michael Lenz - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65154297)#
Ein kleines Flächenelement in Polarkoordinaten ist näherungsweise ein Rechteck mit:
Seitenlänge in radialer Richtung: \(dr\)
Seitenlänge in tangentialer Richtung: \(r \, d\varphi\) (Bogenlänge)
Daher ergibt sich das Flächenelement in Polarkoordinaten als:
Transformation des Integrals#
Die vollständige Transformation eines Doppelintegrals von kartesischen zu Polarkoordinaten erfordert:
Koordinatentransformation: \(x = r\cos\varphi\), \(y = r\sin\varphi\)
Funktionssubstitution: \(f(x,y) \rightarrow f(r\cos\varphi, r\sin\varphi)\)
Flächenelement: \(dA = dx \, dy \rightarrow r \, dr \, d\varphi\)
Integrationsgrenzen: Anpassung an das neue Koordinatensystem
Damit erhalten wir das Doppelintegral in Polarkoordinaten als
Zuerst wird über \(r\) integriert (inneres Integral), dann über \(\varphi\) (äußeres Integral). Diese Reihenfolge entspricht dem Aufbau des Integrationsgebiets in Polarkoordinaten.
Beispiel: Flächeninhalt eines Halbkreises#
Wir berechnen den Flächeninhalt eines Halbkreises mit Radius \(R\). Das Integrationsgebiet ist der Halbkreis mit \(0 \leq r \leq R\) und \(0 \leq \varphi \leq \pi\). Die Funktion für die Flächenberechnung ist
Damit erhalten wir für das transformierte Integral in Polarkoordinaten
Wir berechnen zuerst das innere Integral (über \(r\)):
Danach berechnen wir das äußere Integral (über \(\varphi\))
und erhalten somit das aus der Geometrie bekannte Ergebnis \(A = \frac{\pi}{2}R^2\).
In dem folgenden Video wird sehr ausführlich der Flächeninhalt eines Halbkreises sowohl mit einem Doppelintegral in kartesischen Koordinaten als auch einem Doppelintegral in Polarkoordinaten erklärt. Lassen Sie sich nicht verwirren, in dem Video wird das Doppelintegral Bereichsintegral genannt.
Video zu “Bereichsintegrale / Doppelintegrale | Polarkoordinaten” von LernKompass - Mathe einfach erklärt
Zusammenfassung und Ausblick#
Im nächsten Kapitel kehren wir zu den kartesischen Koordinaten zurück, gehen dafür aber eine Dimension höher und berechnen Dreifachintegrale.