6.4 Höhere partielle Ableitungen und Hesse-Matrix#
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir uns mit Funktionen mehrerer Variablen und deren partiellen Ableitungen erster Ordnung beschäftigt. Wie bei Funktionen einer Variablen können wir auch bei Funktionen mehrerer Variablen höhere Ableitungen bilden, indem wir den Ableitungsprozess mehrfach hintereinander ausführen. Diese höheren Ableitungen sind insbesondere für Anwendungen wie Extremwertprobleme und Stabilitätsanalysen im Maschinenbau von großer Bedeutung.
Lernziele#
Lernziele
Sie können höhere partielle Ableitungen berechenen.
Sie wissen, was mit gemischten partiellen Ableitungen gemeint ist.
Sie kennen den Satz von Schwarz und wissen, wie Sie ihn zur Vereinfachung von Berechnungen anwenden können.
Sie können die Hesse-Matrix berechnen.
Was sind höhere partielle Ableitungen?#
Im vorherigen Kapitel haben wir für die Funktion \(f(x,y) = x^3 + y^3 - x^2 + 2y^2 - 5x + y + 3\) die partiellen Ableitungen erster Ordnung berechnet:
Diese partiellen Ableitungen sind selbst wieder Funktionen von \(x\) und \(y\), die wir erneut ableiten können. Dadurch erhalten wir partielle Ableitungen zweiter Ordnung. Bei einer Funktion mit zwei Variablen gibt es vier mögliche Kombinationen für partielle Ableitungen zweiter Ordnung:
Zweimal nach \(x\) ableiten:
Zuerst nach \(x\), dann nach \(y\) ableiten:
Zuerst nach \(y\), dann nach \(x\) ableiten:
Zweimal nach \(y\) ableiten:
Beachten Sie die Schreibweise, die kennzeichnet, nach welcher Variable in welcher Reihenfolge abgeleitet wird. Die Variable, nach der zuerst abgeleitet wird, steht im Nenner des Differentialquotienten weiter rechts.
Die Ableitungen, bei denen nach verschiedenen Variablen differenziert wird (wie bei den Kombinationen 2 und 3 oben), werden als gemischte partielle Ableitungen bezeichnet. Sie geben Aufschluss darüber, wie die Änderungsrate in eine Richtung von der anderen unabhängigen Variable beeinflusst wird.
Der Prozess des partiellen Ableitens kann fortgesetzt werden, um Ableitungen dritter, vierter oder noch höherer Ordnung zu bilden. Die Notation wird entsprechend erweitert, zum Beispiel:
Bei unseren bisherigen Überlegungen sind die partiellen Ableitungen für eine Funktion von zwei unabhängigen Variablen gebildet worden. Bei drei unabhängigen Variablen werden die Variablen oft mit \(x\), \(y\) und \(z\) bezeichnet. Bei vier oder mehr unabhängigen Variablen wird oft die Vektorschreibweise verwendet, also bei \(n\) Variablen
Die partielle Ableitung nach \(x_i\) wird dann als \(\frac{\partial f}{\partial x_i}\) geschrieben, und höhere partielle Ableitungen folgen demselben Schema.
Video “Höhere partielle Ableitungen” von Mathematische Methoden
Der Satz von Schwarz#
Bei der Berechnung gemischter partieller Ableitungen kann es mühsam sein, alle möglichen Kombinationen auszurechnen. Glücklicherweise gibt es unter bestimmten Voraussetzungen eine wichtige Vereinfachung, die auf dem Satz von Schwarz beruht.
Hermann Amandus Schwarz hat herausgefunden, dass bei Funktionen, die mehrfach stetig differenzierbar sind, es beim partiellen Ableiten nicht darauf ankommt, in welcher Reihenfolge nach den einzelnen Variablen abgeleitet wird.
Wir bleiben bei dem Beispiel \(f(x,y) = x^3 + y^3 - x^2 + 2y^2 - 5x + y + 3\) , das eine beliebig oft stetig differenzierbare Funktion darstellt. Ob zuerst nach \(x\) und dann nach \(y\) abgeleitet wird oder zuerst nach \(y\) und dann nach \(x\) macht keinen Unterschied. Die erste Variante hatten wir ja bereits ausgerechnet:
Leiten wir die Funktion \(f\) zuerst nach \(y\) und dann nach \(x\) ab, so erhalten wir ebenfalls
Wir hätten uns diese Berechnung sparen können, da nach dem Satz von Schwarz die Reihenfolge unwichtig ist und
gilt.
Der Satz von Schwarz erlaubt es uns, viele Berechnungen von gemischten partiellen Ableitungen zu vereinfachen, da wir die Reihenfolge der Differentiationen so wählen können, wie es für die Rechnung am günstigsten ist.
Die Hesse-Matrix#
Höhere partielle Ableitungen können schnell sehr unübersichtlich werden. Für die zweiten partiellen Ableitungen ist es üblich, diese sortiert in einer Tabelle zu notieren. Diese Tabelle in Matrixform wird Hesse-Matrix genannt.
Für eine Funktion von zwei Variablen \(x\) und \(y\) hat die Hesse-Matrix die folgende Form:
Für eine Funktion von drei Variablen \(x\), \(y\) und \(z\) erhalten wir
Allgemein hat die Hesse-Matrix die folgende Form.
Was ist … die Hesse-Matrix?
Die Hesse-Matrix gibt es nur für Funktionen \(f\) von mehreren Variablen \(x_1, x_2, \ldots, x_n\), die mindestens zweimal partiell differenzierbar sind. Die Hesse-Matrix besteht aus den 2. partiellen Ableitungen der Funktion \(f\), wobei die 2. partiellen Ableitungen in der folgenden Reihenfolge in der Matrix angeordnet sind:
Die Größe der Hesse-Matrix wird durch die Anzahl der unabhängigen Variablen bestimmt, von denen die Funktion abhängt. Bei zwei Variablen, ist die Hesse-Matrix eine \(2\times 2\)-Matrix, bei drei Variablen eine \(3 \times 3\)-Matrix und bei \(n\) Variablen eine \(n\times n\)-Matrix.
Die Hesse-Matrix hat eine Reihe wichtiger Eigenschaften, die wichtigste ist ihre Symmetrie. Aufgrund des Satzes von Schwarz ist die Hesse-Matrix symmetrisch.
Betrachten wir nun ein Beispiel mit drei Variablen, wie es häufig im dreidimensionalen Raum für Maschinenbauanwendungen vorkommt:
Die partiellen Ableitungen erster Ordnung sind:
Die Hesse-Matrix ergibt sich durch Berechnung aller zweiten partiellen Ableitungen:
Damit erhalten wir die Hesse-Matrix:
Beachten Sie, dass die Hesse-Matrix symmetrisch ist, wie vom Satz von Schwarz vorhergesagt.
Video “Hesse-Matrix und Satz von Schwarz” von MathePeter
Video “Hesse-Matrix” von Mathematrick
Video “Hesse-Matrix” von Mathematische Methoden
Zusammenfassung und Ausblick#
In diesem Kapitel haben wir höhere partielle Ableitungen und die Hesse-Matrix kennengelernt, die entscheidende Werkzeuge für die Analyse von Funktionen mehrerer Variablen darstellen. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie wir Richtungsableitungen mit Hilfe des Gradienten berechnen können.