13.4 Homogene Systeme aus zwei linearen DGL 1. Ordnung#
In Natur und Technik wird häufig nicht nur eine Differentialgleichung benötigt, um einen Prozess zu beschreiben, sondern viele Differentialgleichungen. Dabei kann es sein, dass die gesuchten Funktionen in mehreren Differentialgleichungen vorkommen. Es entsteht ein System von Differentialgleichungen. Wir beschränken uns in diesem Kapitel auf den einfachsten Fall, der auftreten kann.
Lernziele#
Lernziele
Sie können erklären, was ein System von Differentialgleichungen ist.
Sie können ein System von linearen Differentialgleichungen 2. Ordnung lösen.
Was ist ein System von Differentialgleichungen?#
Sind mehrere Differentialgleichungen nicht unabhängig voneinander, sondern treten die gesuchten Funktionen oder die Störfunktionen in mehreren Differentialgleichungen gleichzeitig auf, so sprechen wir von einem System von Differentialgleichungen. Wir betrachten in dieser Vorlesung nur Systeme von zwei Differentialgleichungen, bei denen beide Differentialgleichungen homogen, linear und von 1. Ordnung sind. Zusätzlich fordern wir, dass die Koeffizienten konstant sind.
Ein System von Differentialgleichungen
heißt homogenes System von Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten.
Es werden also zwei Funktionen \(y_1\) und \(y_2\) gesucht, die jeweils in der anderen Differentialgleichung ebenfalls auftauchen. Um dem System jetzt auch eine Ordnung zuzuweisen, summieren wir über die Ordnungen der einzelnen Differentialgleichungen. Daher hat das System aus den beiden Differentialgleichungen 1. Ordnung insgesamt die Ordnung 2.
Wie wird ein System 2. Ordnung gelöst?#
Zur Lösung von Systemen von linearen Differentialgleichungen kombinieren wir die Lösung einzelner Differentialgleichungen mit der Lösung von linearen Gleichungssystemen. Da wir uns auf konstante Koeffizienten beschränken, können wir die Koeffizienten in eine Matrix schreiben.
Dadurch können wir das System von Differentialgleichungen als Matrix-Vektor-Multiplikation darstellen:
Bei den homogenen lineare Differentialgleichungen zeigte sich, dass diese durch eine Exponentialfunktion gelöst werden können. Als Lösungsansatz wählen wir daher
Dabei haben wir drei unbekannte Konstanten, nämlich \(C_1\), \(C_2\) und \(\lambda\). Die beiden Konstanten \(C_1\) und \(C_2\) werden unsere Integrationskonstanten werden. Da wir ein System 2. Ordnung haben, brauchen wir zwei Integrationskonstanten. Aber \(\lambda\) muss noch bestimmt werden. Wir machen weiter und bilden die erste Ableitung der beiden Ansatzfunktionen
Setzen wir nun beide Ansatzfunktionen in das System von Differentialgleichungen ein, so erhalten wir
Wir teilen durch \(e^{\lambda x}\) und erhalten
Bringen wir die Terme \(C_1 \, \lambda\) und \(C_2 \, \lambda\) jeweils aud die rechte Seite und schreiben das Gleichungssystem in Matrixform, so erhalten wir
Wenn die Determinante dieses linearen Gleichungssystems ungleich Null ist, dann kommen nur \(C_1 = C_2 = 0\) als Lösung infrage. Damit wären aber auch \(y_1\) und \(y_2\) die Nullfunktionen. Das System von Differentialgleichungen hat nur Funktionen als Lösung, die nicht die Nullfunktion sind, wenn die Determinante dieses Gleichungssystems Null ist.
Wir setzen also
an und bestimmen \(\lambda\) so, dass die Determinante Null ist. Diese Gleichung wird übrigens charakteristische Gleichung genannt und wird folgendermaßen notiert:
Es gibt drei mögliche Lösungen, die sogenannten Eigenwerte der charakteristischen Gleichung:
2 Nullstellen, d.h. \(\lambda_1 \neq \lambda_2\) reell
1 Nullstelle, d.h. \(\lambda_1 = \lambda_2\) reell
0 Nullstellen, d.h. \(\lambda_1 \neq \lambda_2\) komplex, weil für die komplexen Zahlen eine quadratische Gleichung immer zwei Lösungen hat
Je nachdem, welcher dieser dieser Fälle eintritt, lauten die Lösungen wie folgt.
1. Fall: 2 Nullstellen
Es gilt also \(\lambda_1 \neq \lambda_2\) reell.
Lösungsfunktion: \(y_1(x)=C_1\cdot e^{\lambda_1 x} + C_2\cdot e^{\lambda_2 x}\)
Lösungsfunktion: erhalten wir, indem wir die \(y_1\) in die 1. DGL einsetzen und dann nach \(y_2\) auflösen:
2. Fall: 1 Nullstelle
Es gilt also \(\lambda_1 = \lambda_2 = \alpha\) reell.
Lösungsfunktion: \(y_1(x)=(C_1+C_2 x) \cdot e^{\alpha x} \)
Lösungsfunktion:
3. Fall: 0 Nullstellen
Es gilt also \(\lambda_1 \neq \lambda_2\) komplex, die komplexen Nullstellen können geschrieben werden als \(\lambda_{1/2}=\alpha \pm \omega i\).
Lösungsfunktion: \(y_1(x)=e^{\alpha x}\left(C_1\sin(\omega x) + C_2 \cos(\omega x)\right) \)
Lösungsfunktion:
Beispiel zur Lösung eines Systems 2. Ordnung#
Wir betrachten das homogene System 2. Ordnung
mit der Koeffizientenmatrix
Die Nullstellen der charakteristischen Gleichung
sind \(\lambda_1 = -5\) und \(\lambda_2 = 2\).
Damit ist die erste Lösungsfunktion
Wir berechnen schon einmal die erste Ableitung davon, da wir \(y_1'\) für die Berechnung von \(y_2\) brauchen:
Die zweite Lösungsfunktion ist damit